Was versteht man unter psychischer Belastung im Homeoffice?
Sind die Anforderungen am Arbeitsplatz nicht allein zu bewältigen, entsteht für Ihre Mitarbeiter Stress. Nicht jeder kann Arbeit und Privatleben trennen, wenn er zu Hause arbeitet – vor allem nicht, wenn private Probleme bestehen. Zudem kann der fehlende Austausch mit Kollegen dazu führen, dass Ablenkung fehlt oder die Möglichkeit entfällt, über den Arbeitsstress zu sprechen. Mitunter erhöht sich sogar der Leistungsdruck, da Mitarbeitende beweisen möchten, dass sie auch ohne direkte Aufsicht produktiv sind.
Auswirkungen auf das Unternehmen
Psychische Belastungen im Homeoffice können zu erhöhten Fehlzeiten, geringerer Produktivität und steigender Fluktuation führen. Daraus folgen hohe Kosten für Neueinstellungen und Einarbeitung und es kann das Betriebsklima verschlechtern. Im schlimmsten Fall können Sie sogar rechtlich belangt werden, weil Sie unter Umständen Ihrer Verpflichtung, für die Gesundheit und Sicherheit Ihrer Mitarbeitenden zu sorgen, nicht nachgekommen sind. Dazu können Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz oder den Datenschutz gehören, die Schadensersatzansprüche ermöglichen.
Psychische Belastungen im Homeoffice: Studienergebnisse
Das Wissenschaftliche Instituts der AOK (WIdO) untersuchte innerhalb des „Fehlzeiten-Report 2019“ das Thema und befragte 2.000 Beschäftigte zu ihrer Situation in den letzten zwölf Monaten.
Die Ergebnisse:
- 73,4 Prozent fühlten sich erschöpft.
- 69,8 Prozent verspürten häufig Wut und Verärgerung, 67,5 Prozent Nervosität und Reizbarkeit.
- 38,3 Prozent hatten Probleme, nach Feierabend abzuschalten.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) befragte im Oktober 2021 im Rahmen der Corona-Pandemie 1.000 Arbeitnehmer zum Thema „Belastungen im Homeoffice“.
Die Ergebnisse:
- 30,6 Prozent empfanden eine höhere Belastung durch das HO.
- 50,2 Prozent fehlte der soziale Kontakt zu Kollegen.
- 34,1 Prozent klagten über den zunehmenden Bewegungsmangel.
- 30,2 Prozent konnten Arbeits- und Privatleben nicht ausreichend trennen.
Zwischen Juli 2020 und Mitte 2022 führten die Schweizer Universität St. Gallen und die Barmer Krankenkasse eine Langzeitstudie durch. Dabei wurden halbjährlich 8.000 Personen aus über 22 Branchen befragt. Die Ergebnisse von “Social health@work”:
- Der Anteil der Befragten, die eine Produktivitätssteigerung verzeichneten, stieg von 57 auf 60 Prozent.
- Gleichzeitig sank der Anteil derjenigen, die nach der Arbeit noch abschalten konnten, von 53 auf 47 Prozent.
- Jeder Vierte fühlte sich emotional erschöpft.
Belastungsfaktoren im Überblick
- Soziale Isolation: Weniger Austausch mit Kollegen kann zu Einsamkeit und Motivationsverlust führen.
- Verschwimmende Grenzen: Ohne klare Trennung fällt es schwer, abzuschalten.
- Erhöhte Selbstorganisation: Eigenständige Tagesstruktur kann zusätzlichen Stress verursachen.
- Technische Herausforderungen: Internet- oder Tool-Probleme führen zu Frustration.
- Fehlende Ergonomie: Improvisierte Arbeitsplätze können physische Beschwerden begünstigen.
Wie unterscheiden sich die Belastungen im Homeoffice von denen im Büro?
Belastungstyp | Homeoffice | Büro |
---|---|---|
Soziale Interaktion | Eingeschränkt, weniger direkter Austausch | Regelmäßige Kontakte |
Arbeitszeiten | Gefahr von Überarbeitung, ständige Erreichbarkeit | Klare Strukturen durch Anwesenheitspflicht |
Ablenkungen | Haushalt, Familie, Haustiere | Gespräche, Lärm, Meetings |
Technische Probleme | Eigenverantwortliche Lösung erforderlich | IT-Support oft direkt verfügbar |
Welche Gruppen von Mitarbeitern sind besonders gefährdet?
Auch wenn die Studienergebnisse klare Tendenzen aufzeigen, sollte das Homeoffice nicht grundsätzlich abgelehnt werden. Dennoch sind bestimmte Gruppen einem höheren Risiko ausgesetzt, psychische Probleme zu entwickeln. Zu ihnen zählen:
- Alleinlebende Personen, da ihnen oft soziale Kontakte fehlen.
- Schüchterne Menschen, die Schwierigkeiten haben, selbstständig Kontakte zu knüpfen.
- Eltern mit kleinen Kindern, die Arbeit und Familie schwer trennen können.
- Mitarbeiter mit psychischen Vorerkrankungen, für die fehlende Strukturen und Isolation belastend sind.
- Neue Mitarbeiter, die nicht vollständig in die Unternehmenskultur eingebunden werden.
- Gesellige Personen, die den direkten Austausch mit Kollegen brauchen.
- Mitarbeiter, mit beengten Wohnverhältnissen, die keinen eigenen Arbeitsbereich einrichten können.
Woran können Sie erkennen, dass die psychische Gesundheit im Homeoffice in Gefahr ist?
Typische Anzeichen im Überblick
- Sinkende Produktivität und häufige Fehler
- Rückzug aus Teamkommunikation
- Reizbarkeit, Ängstlichkeit oder Unmotiviertheit
- Häufige Krankmeldungen oder Übermüdung
- Fehlende Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben
- Veränderungen im Erscheinungsbild (z. B. Gewichtsverlust, Ungepflegtheit, Müdigkeit)
Gibt es Maßnahmen zur Prävention psychischer Belastungen?
Menschen, die psychisch belastet sind, neigen dazu, ihre Probleme nicht offen anzusprechen. Aus Angst vor Stigmatisierung oder sogar vor einer Kündigung verbergen sie ihre Schwierigkeiten – ein Verhalten, das bis zum vollständigen Zusammenbruch führen kann. Ein erster Schritt, zu einer gesunden Unternehmenskultur ist daher ein offener Umgang mit solchen Themen. Weiterhin gibt es eine Reihe von internen und externen Maßnahmen, die Ihren Mitarbeitern helfen können.
- Schaffen Sie klare Strukturen und Arbeitszeiten: Sie helfen dabei, eine gesunde Work-Life-Balance zu fördern. Definieren Sie klare Erreichbarkeitszeiten und kommunizieren Sie diese offen im Team.
- Stellen Sie ergonomische Arbeitsmittel zur Verfügung: Mit ergonomischen Stühlen, Tischen und anpassbarem Zubehör können Sie dazu beitragen, ungesunde Körperhaltungen Ihrer Mitarbeiter zu vermeiden.
- Erinnern Sie an Bewegungspausen: Diese können im Rahmen von Online-Kursen oder gemeinsam wahrgenommen werden.
- Unterstützen Sie bei der Einrichtung des Arbeitsplatzes im Homeoffice: Ein gut ausgestatteter Arbeitsbereich steigert Wohlbefinden und Produktivität.
- Etablieren Sie eine gesunde Unternehmenskultur: Feierabend sollte nicht nur ein Begriff, sondern gelebte Realität sein.
- Soziale Interaktion ermöglichen: Regelmäßige Teamtreffen – ob virtuell oder vor Ort – stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl.
- Videocalls statt E-Mails: Persönliche Kommunikation schafft Nähe und reduziert Missverständnisse.
- Zeigen Sie Wertschätzung: Lob und Anerkennung können, insbesondere im Homeoffice, entscheidend für die Motivation sein. Auch kleine Gesten wie ein Obstkorb oder eine Pizza-Lieferung sind wirkungsvoll.
- Führen Sie regelmäßig anonyme Mitarbeiterumfragen durch: So erhalten Sie ehrliche Einblicke in die Zufriedenheit und das Belastungsempfinden Ihrer Mitarbeitenden.
- Führen Sie flexible Arbeitszeitmodelle ein: Gleitzeit oder Kernarbeitszeiten reduzieren Stress und erhöhen die Autonomie.
Welche internen und externen Unterstützungsangebote können Sie bereitstellen?
Interne Angebote | Externe Angebote |
---|---|
Regelmäßige Gespräche mit Führungskräften | Zugang zu psychologischen Beratungsstellen |
Mentoring-Programme | Anonyme Hotline für psychologische Beratung |
Flexible Arbeitszeiten | Online-Coaching für mentale Gesundheit |
Schulungen zum Thema psychische Gesundheit | Betriebliche Sozialberatung extern |
Online-Sportkurse | Kooperation mit Psychologen/Coaches |
Wie können Führungskräfte offen über mentale Gesundheit sprechen, um Stigmatisierung zu vermeiden?
Wie bereits erwähnt, sollte psychische Gesundheit kein Tabuthema sein. Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Schaffung einer offenen und unterstützenden Unternehmenskultur.
- Sensibilisieren Sie Teams durch Schulungen und Workshops.
- Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und sprechen Sie über eigene Herausforderungen.
- Ermutigen Sie Mitarbeiter, offen ihre Belastungen anzusprechen.
- Kommunizieren Sie klar, dass psychische Gesundheit genauso wichtig ist wie körperliche
Psychische Gesundheit im Homeoffice: Welche arbeitsrechtlichen Verpflichtungen haben Sie?
Neben der moralischen Verantwortung gibt es gesetzliche Pflichten im Bereich Arbeitsschutz, Arbeitszeitregelungen und Datenschutz.
Gefährdungsbeurteilung fürs Homeoffice
Bevor Mitarbeiter ins Homeoffice wechseln, verlangt die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) eine Überprüfung des heimischen Arbeitsplatzes. Damit sollen psychische, physische und digitale Risiken minimiert werden. Ziel ist es, potenzielle Gefährdungen für den Bewegungsapparat und das Sehvermögen zu erkennen und gleichzeitig die psychische Gesundheit zu erhalten.
Einhaltung der Arbeitszeit und Pausen
Laut § 3-5 ArbZG beträgt die maximale Arbeitszeit acht Stunden. Zudem sind mindestens 30 Minuten Pause sowie elf Stunden Ruhezeit vorgeschrieben. Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist bis auf wenige Ausnahmen nicht erlaubt.
Datenschutz im Homeoffice
Psychische Gesundheit ist ein sensibles Thema, weswegen sie unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 DSGVO fallen. Das bedeutet, ohne ausdrückliche Zustimmung der Mitarbeitenden dürfen solche Daten nicht verarbeitet oder gespeichert werden. - Selbst wenn Mitarbeitende ihre Situation freiwillig offenlegen, dürfen Sie diese Informationen nicht dokumentieren oder weitergeben.
Fazit: Psychische Gesundheit als Erfolgsfaktor im Homeoffice
Psychische Belastungen im Homeoffice sind eine ernstzunehmende Herausforderung für Unternehmen. Sie beeinflussen nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern auch Produktivität, Teamdynamik und langfristig den wirtschaftlichen Erfolg.
Indem Sie klare Strukturen schaffen, regelmäßige Kommunikation fördern, unterstützen Sie die Resilienz Ihrer Mitarbeiter und tragen dazu bei, Stress zu reduzieren. So sichern Sie langfristig die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens